Eine Begegnung mit der Geschichte

Die Ilse-Löwenstein-Schule –
Erinnerungen an ihre Namensgeberin

Es mag Zufall gewesen sein, dass wir auf die Ilse-Löwenstein-Schule aufmerksam wurden, obwohl sie weiter von unserem Zuhause entfernt liegt. Die Schulen in unserer Nähe kamen entweder für unseren Sohn nicht in Frage oder nahmen uns aufgrund der Entfernung nicht auf. Als unsere Wahl auf die Ilse-Löwenstein-Schule fiel, wurde uns hier die Zuversicht vermittelt, dass wir mit dem Schulplatz rechnen könnten.

Während ich mit den Anmeldeunterlagen im Büro der Schule saß und das Bild von Ilse und ihrer Schwester sah, entdeckte ich, dass Ilse in meinem Heimatland ermordet wurde. Dieser Moment ließ mich innehalten – war das wirklich nur ein Zufall? Es schien fast wie eine Fügung.

Dieses Wort – Fügung – habe ich auch am 100. Geburtstag von Ilse Löwenstein, der am 21.09.2024 mit einem Schulfest gefeiert wurde, mehrfach gehört. Sei es von Frau Ellrott, die die Stolpersteine der Familie in der Humboldtstraße fand und den Namen für die Schule vorschlug, von der ehemaligen Schulleiterin Frau Pilnitz, die die Namensgebung organisierte, oder von Ilses Großneffen. Alle sprachen von einem Zufall. 

Weniger zufällig, sondern bewusst, suchte ich in diesem Sommer während meines Aufenthalts in Belarus nach dem Ort, an dem Ilse und ihre Familie ermordet wurden. Es gab mehrere Orte in der Umgebung von Minsk. Dort stieß ich auf großes Interesse seitens eines Vereins, der dieses historische Projekt betreut, und sie halfen mir, die genaue Stelle zu finden.

Obwohl der Gedenkort aktuell renoviert wird, kann man den Park besuchen, in dem 105.000 deutsche und österreichische Juden ihr Leben verloren haben. Es ist ein Ort, der Gänsehaut verursacht und niemanden emotional unberührt lässt. Bis heute kommen Nachfahren aus Städten wie Köln, Düsseldorf, Berlin, Hamburg und Wien, um Blumen, Kerzen und Notizen niederzulegen und die Erinnerung zu bewahren. Unter diesen 105.000 Menschen war auch die junge Ilse, die ein schönes Leben hätte führen können.

Ihr Lebenswille muss sehr stark gewesen sein. Deshalb bin ich überzeugt, dass dies keine bloße Zufälligkeit ist, wenn ihr Name in der Schule weiterlebt. Es erfüllt mich mit Stolz, ein kleiner Teil ihrer Geschichte geworden zu sein. Jetzt besitzen die Schule und auch die Verwandten von Ilse Bilder des Parks und der Gedenkstätte, und der Verein hat nun ebenfalls ein Bild von Ilse.

Möge ihr Name uns immer daran erinnern, wie wichtig es ist, die Erinnerung an diese schreckliche Zeit weiterzugeben, damit wir sicherstellen, dass so etwas nie wieder geschieht. Frau Pilnitz sagte dazu: „Das Erste, was einem Schüler beim Namen in den Sinn kam, war: Wir werden stark sein wie ein Löwe.“ In Ilses Namen sollten wir es auch sein.

Emilia Benz, September 2024